Als ich in der Nähe der nordholländischen Stadt Hoorn die Autobahn verlasse, bin ich sofort in Urlaubsstimmung. Ich fahre automatisch langsamer, um die Umgebung in mich aufzunehmen. Auf einem Bauernhof stehen Eimer mit Tulpen zum Verkauf, die Sonne scheint und an den Bäumen zeigt sich das erste Grün. Der Frühling ist in Sicht! Zur Tulpenblüte-Zeit mache ich einen dreitägigen Roadtrip durch Holland oberhalb von Amsterdam in Nordholland.


Tag 1: Von Westfriesland an die IJsselmeerküste
- Route: Hoorn – Schellinkhout – Hem – Enkhuizen
- Highlights: Westfriese Produkte, Tulpenherzen, historisches Stadtzentrum von Enkhuizen und ein Barfußpfad
- Übernachtung: Auf dem Campingplatz De Gouwe Stek
- Frühlingsfaktor: ✿✿✿✿
Lokale Produkte, schöne Straßen und Tulpen in Westfriesland
Die kurvenreiche Straße durch das Dorf Schellinkhout führt mich an einer Reihe von schönen alten Häusern und Bauernhöfen vorbei. An einem unbemannten Verkaufsstand auf einem Bauernhof steige ich aus dem Auto. Ich erkenne es an der gelben Flagge: Es ist ein ‚West-Fries Verkoopstalletje‘. Landwirte, Züchter und andere Unternehmer verkaufen ihre Produkte an einem Stand am Straßenrand. Ein bisschen wie in früheren Zeiten. Mit dem Unterschied, dass man heutzutage oft das Geld auch überweisen kann. Blumen, Obst, Käse, Gemüse, Kartoffeln, Marmelade – jetzt, wo ich darauf achte, sehe ich immer mehr Stände. Davon gibt es in Westfriesland Hunderte, die man auch auf einer Online-Karte finden kann. Man kann aber auch einfach mit dem Fahrrad oder Auto herumfahren und nach den gelben Flaggen Ausschau halten. Ich bekomme Lust, überall anzuhalten, um zu gucken, was verkauft wird. Aber… es gibt noch zoviel mehr zu sehen in Holland oberhalb von Amsterdam und meinen Roadtrip habe ich gerade erst begonnen!

Man könnte meinen, dass Westfriesland ein Teil der Provinz Friesland ist. Aber nein. Westfriesland ist eine nördliche Region in der Provinz Nordholland. Im Mittelalter lebten hier tatsächlich Friesen. Zu den größeren Städten der Region gehören Alkmaar, Hoorn und Schagen.
Über den westfriesischen Omringdijk zum ersten Tulpenbauern

Ich setze meinen Weg entlang des westfriesischen Ringdeiches fort. Zu meiner linken Seite erstrecken sich die grünen Wiesen mit ein paar Kühen hier und da, zu meiner rechten das Markermeer, soweit das Auge reicht. Der Westfriese Omringdijk ist ein 126 km langer Deich, der einst dafür sorgen musste, dass die Menschen trockene Füße behielten und das Land nicht von der Zuiderzee überflutet wurde. Der Deich ist heute ein Provinzdenkmal und eignet sich hervorragend für Radtouren, Road-Trips oder Inlineskaten.
Ich bin so fasziniert von der Aussicht, dass ich fast die Abzweigung zum Dorf Hem verpasse. Dort habe ich ein Treffen mit Mats Boots von Tulpentekoop.nl. Mats hat eine große Leidenschaft für die Kreation neuer Dinge. „Die Ideen laufen in meinem Kopf auf einer Art Fließband vorbei. Ich wähle aus, welche ich herausnehmen und entwickeln möchte“, sagt er. Die letzte Idee, die er vom Fließband genommen hat: Tulpenherzen. Er nimmt mich mit ins Gewächshaus, wo viele Reihen von fröhlichen, herzförmigen Behältern mit Zwiebeln auf Stechern stehen. Man kauft sie so, gibt zu Hause ab und zu frisches Wasser hinzu und hat nach einiger Zeit ein Herz voller blühender Tulpen. Die Form und das Konzept sind von Mats selbst entworfen. Außerdem sind die Tulpenherzen ein 100% niederländisches Produkt, denn sogar die Form wird in Holland aus recyceltem Kunststoff hergestellt. Mats führt mich in einen anderen Raum und zeigt mehr von seinen Kreationen: Tulpenbier mit biologischen Blütenstaub und der Tulpentee, der sich in der Tasse wie eine Blüte entfaltet. Alles wird online oder – wo sonst – an seinem Stand am Straßenrand verkauft.


Das Goldene Zeitalter in Enkhuizen erleben
Ich nehme ein Tulpenherz für meine Mutter mit und steige dann wieder ins Auto. Über den Ringdeich setze ich meine Route nach Enkhuizen fort. Das Auto bleibt dort am Bahnhof, denn Enkhuizen erlebt man am besten zu Fuß. Jede Gasse, durch die ich gehe, ist eine Überraschung. Der Hafen, die Herrenhäuser und die Grachten erinnern an das wohlhabende Goldene Zeitalter. Zu Beginn dieses Zeitalters war Enkhuizen das Zuhause vieler Seefahrer, Kaufleute, Entdecker, Schiffsbauer und Wissenschaftler. Die Kaufleute verdienten gutes Geld mit dem Handel und ließen schöne Gebäude errichten. In der zweiten Hälfte des Goldenen Zeitalters zogen viele nach Amsterdam. Vorbei waren die glorreichen Zeiten von Enkhuizen. Glücklicherweise sind die stummen Zeugen dieser Zeit gut erhalten geblieben: wenn man sich die Gebäude, die Häfen, die Giebelsteine und die Lagerhäuser bei einem Spaziergang anschaut, bekommt man einen guten Blick in die Geschichte der Stadt.
In der frischen Frühlingssonne picknicken Menschen am Wasser und Kinder spielen auf dem Rasen vor dem Stadttor ‚Drommedaris‘. Als ich die Kirchenglocke sechsmal schlagen höre, gehe ich zurück zum Bahnhof und setzte mich auf eine Bank mit Blick auf den Hafen. Im Hafen hole ich mir eine Tüte Kibbeling und setze mich dann auf den Holzsteg am Kai. Mit diesem frischen Fisch und dem Blick auf die Boote genieße ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages. Der erste Roadtrip-Tag mach Lust auf mehr Holland oberhalb von Amsterdam!


Tipp: Wer noch etwas Besonderes erleben möchte, kann einen Abstecher zum Camping de Gouwe Stek in Bovenkarspel machen. Schuhe und Socken ausziehen und los geht’s auf den Barfußpfad rund um den Campingplatz und den Bauernhof. Die Route führt über Baumstämme, Hängebrücken und durch einen Mini-Wasserfall. Übernachten geht auf dem Mini-Campingplatz übrigens sowohl mit dem eigenen Zelt oder Wohmobil, aber auch in einem Pipowagen oder Safarizelt.
Tag 2: Tag der Überraschungen
- Route: Enkhuizen – Medemblik – Slootdorp – Den Oever – Julianadorp
- Highlights: die Mühle in Medemblik, Gärtnerei Munster, Wattenerlebnispunkt Den Oever, Poldertuin Anna Paulowna und die Nordseeküste
- Übernachtung: Auf dem Campingplatz Duinzoomhoeve
- Frühlingsfaktor: ✿✿✿✿✿
Start im Hafen von IJsselmeer
Am nächsten Tag fahre ich nach dem Frühstück nach Medemblik. Während die Stadt am IJsselmeer langsam erwacht, schlendere ich durch den Hafen. Die Masten des Schiffes machen ein singendes Geräusch im Wind. Den starken Wind spüre ich noch deutlicher, als ich in der Nähe vom Schloss Radboud am IJsselmeer stehe. Kleine Segelboote trotzen tapfer den Wellen. Hier kamen früher die Handelsschiffe in die Stadt. Wie Enkhuizen war Medemblik im Goldenen Zeitalter eine wichtige Handelsstadt. Die Giebelsteine an den historischen Gebäuden in Medemblik zeugen noch heute von dieser Zeit. Schaue also ab und zu nach oben, wenn du die kleinste und älteste Stadt Westfrieslands besuchst!

Es erwartet mich noch eine kleine Überrasschung am Rande von Medemblik. Bei der Getreidemühle ‚De Herder‘ steige ich kurz aus, um über den Deich zu schauen. Genau in dem Moment sind die Müller Jan und Bert gerade dabei, die Tücher an den Flügeln zu befestigen. „Magst du mal reinschauen?“, rufen sie. Sie zeigen mir den Mühlenladen und die vier Dachböden, wo die Windkraft die Werkzeuge in Bewegung setzt. So wird das Mehl gemahlen. „Und jetzt lassen wir die Mühle mal laufen“, sagt Müller Jan – für mich das Zeichen, den Frühlings-Roadtrip durch Holland oberhalb von Amterdam fortzusetzen.



Wo sich alles um die Tulpe dreht: Gärtnerei Munster

Kein Frühlings-Roadtrip ohne Tulpen und deshalb treffe ich Sandra von der Kwekerij Munster in Slootdorp. Zur Tulpenblüte-Zeit organisiert sie auf Anfrage Tulpenexkursionen durch die Gärtnerei in Nordholland. Neben der Gärtnerei, direkt am Feld, befindet sich ein Wohnmobilstellplatz mit dem passenden Namen ‚Tulpentuin‘. Mit den Camperer macht Sandra jeden Morgen einen kleinen Rundgang durch den Betrieb. Heute macht sie das mit mir. Sie erklärt mir, wie das Röntgengerät aus den Tulpen mit Zwiebeln schöne Sträuße macht, zeigt mir die endlosen Tulpenreihen im Gewächshaus und zieht im Kühlhaus Kisten mit schönen Sträußern von gefüllten Tulpen heraus. Mit enormer Energie und Begeisterung geht sie durch die Gärtnerei. Nebenbei erzählt sie auch noch, wie das Unternehmen energieneutral geworden ist.
Wenn wir wieder draußen stehen, fallen mir die Beete mit einer anderen Pflanzenart am Rande der Tulpenfelder auf. „Es sind kräuter- und blütenreiche Feldränder, die der Vogel- und der Artenvielfalt dienen,“ erzählt Sandra. Ob das auch für die Zertifizierung notwendig war, frage ich sie. „Nein, das gibt einfach ein gutes Gefühl“, lacht Sandra.
Drei Küsten an einem Tag: das gibt’s nur in Nordholland
Ich verlasse Slootdorp und tausche die IJsselmeerküste gegen die Wattenküste. Das Wattenmeer ist seit 2009 UNESCO-Weltnaturerbe, weil es ein einzigartiges Ökosystem ist, das nur an den Küsten der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks zu finden ist. In Den Oever kann man besonders gut sehen, wie ausgedehnt die Landschaft ist, und zwar am Wattenerlebnispunkt. Der gelbe, metallene Aussichtsturm ist an sich schon cool zu sehen. Aber wer sich die Mühe macht, ihn zu besteigen, hat einen tollen Blick auf das Wattenmeer, das besondere Naturschutzgebiet ‚t Schor, den Afsluitdijk und den Hafen von Den Oever. Ich lasse mir Zeit und spüre die salzige Luft auf meinem Gesicht. Sehe ich da in der Ferne einen Löffler?



Geheimtipp: Tausende Tulpen im Poldertuin Anna Paulowna
Auf dem Weg zu meinem heutigen Endziel mache ich einen Zwischenstopp im ‚Poldertuin‘ in Anna Paulowna. Der öffentliche Garten wird auch ‚Klein Keukenhof‘ genannt und ist ein echter Geheimtipp. Ich schlendere zwischen den Beeten voller Tulpen, Narzissen und anderen Frühlingsblühern. Zwischen den rosa Tulpen treffe ich den Ehrenamtlichen André Duivenvoorden, der gerade am Hacken ist. „Die Blumenzwiebeln sind jedes Jahr ein Geschenk von Züchtern aus der Regio. Der Garten wird nur von ehrenamtlichen Mitarbeitern gepflegt“, erzählt er stolz. Für mich ist der Garten der Überraschung des Tages. Er ist so schön gepflegt, sehr vielfältig und zudem kostenlos zugänglich. Ganz definitiv ein Besuch wert, wenn du zur Tulpenblüte-Zeit eine Reise durch Nordholland machst!

Den erlebnisreichen Tag an der Nordsee ausklingen lassen
Vom Poldertuin ist es nur noch ein Katzensprung zu meiner Unterkunft. Auf dem Campingplatz Duinzoomhoeve in Julianadorp begrüßt mich die Bäuerin Mary. Hier gibt es wortwörtlich die Möglichkeit inmitten der Tulpenfelder in Nordholland zu campen. Außer mit der eigenen Campingausrüstung kann man auch in einem Zirkuswagen oder in einer Heuhütte, einer einfachen, aber komfortable Wanderhütte, übernachten.

Die Atmosphäre auf dem Campingplatz ist entspannt, die Bäuerin äußerst sympathisch und gastfreundlich. „Manchmal backe ich an der Feuerstelle für alle Gäste Pfannkuchen“, erzählt Mary. „Wir sehen uns dann morgen früh zum Frühstück an der Rezeption?“ Ich freue mich schon darauf. Nach einem Tag voller Eindrücken sieht das Bett in der Heuhütte sehr einladend aus, aber ich mache mich noch schnell auf den Weg zum Strand. Zum Glück ist er nicht weit: In einer Viertelstunde Fußweg stehe ich schon barfuß im der Nordsee. Während die Sonne im Meer verschwindet, denke ich: „An einem Tag die IJsselmeerküste, die Wattenmeerküste und die Nordseeküste sehen – das geht wirklich nur hier!“
Tag 3: Pflücken, schaukeln und staunen
- Route: Julianadorp – Callantsoog – Petten – Limmen
- Highlights: Tulpe pflücken im Floratuin, Frühlingseis, schaukeln im Palendorp Petten und Hortus Bulborum
- Frühlingsfaktor: ✿✿✿✿❀
Selber Tulpen pflücken in Julianadorp
In aller Frühe beginne ich den dritten Tag mit einer kleinen Fahrradtour am Rande der Dünen zum Leuchtturm ‚De Groote Kaap‘. Während die Sonne aufgeht, hebt sich der Nebel langsam über die Blumenzwiebelfelder. An dem Anblick kann ich mich gar nicht sattsehen. Eine Blick auf die Uhr sagt mir aber, dass ich wieder zurück zum Campingplatz muss. Dort hat die Bäuerin Mary ein leckeres, frisches Frühstück mit lokalen Produkten wie Käse aus der Region und hausgemachter Marmelade vorbereitet.



Nach dem Frühstück verabschieden wir uns und ich fahre zum Floratuin. In diesem Gartencenter am Rande von Julianadrop kann man nicht nur Blumenzwiebeln und Blumenkreationen kaufen, sondern auch seinen eigenen Strauß zusammenstellen. Im Tulpenpflückgarten hat man die Wahl aus einer ganzen Menge verschiedener Blumen. „Wir kommen jedes Jahr zur Tulpenblüte hierher und bringen immer mehr Freunde mit. Diese bunte Tulpen machen wirklich jeden glücklich!“, sagt eine Dame, die extra aus Friesland nach Nordholland angereist ist.
Ich schaue kurz zu, wie zwei Kinder sorgfältig bunte Tulpen pflücken. Dann treffe ich auf den Besitzer Arno Kroon. Im Gegensatz zu vielen anderen Tulpenzüchtern hat er den Betrieb nicht von seiner Familie übernommen, sondern begann mit der Blumenzwiebelzucht aus Leidenschaft. Besonders stolz ist er auf seine Narzissen, die er selber gekreuzt hat. „Ein Lebenswerk“, nennt er sie liebevoll.
Schaukeln an der Küste in Petten
Ich schlingere entlang der Nordseeküste in Richtung Süden. Unterwegs halte ich in Callantsoog für ein Eis bei IJsie Prima an. Ich kann nicht anders, als mich für den Geschmack ‚Frühling in der Luft‘ entscheiden., Passt zum Wetter und zum Thema meines Roadtrips! Danach fahre ich nach Petten, um ein bisschen frische Meeresluft zu schnappen. Hier kann man schön schaukeln beim ‚Palendorp‘, ein Kunstwerk, das den Grundriss eines vom See verschlungenen Dorfes zeigt. Was sich auch lohnt in Petten: die wunderschöne Aussicht auf der Aussichtsdüne. Von dort sieht man noch besser, wie schön breit der Strand von Petten ist.


Die älteste Tulpe der Welt im Hortus Bulborum
Erfrischt von der Meeresbrise fahre ich weiter zu meiner allerletzten Station an diesem Roadtrip-Wochenende: dem Hortus Bulborum in Limmen. Im Garten gibt es mehr als 4500 verschiedene Arten von Frühjahrsblühern, darunter die Duc van Tol-Tulpe aus dem Jahre 1595, die älteste Tulpe der Welt. „Hier gibt es sehr besondere Tulpen“, erzählt mir der ehrenamtliche Mitarbeiter Max Nuyens, während wir durch den Garten gehen, „Die Sammlung ist einzigartig auf der Welt, wegen der Menge und der besonderen Arten.“ Interessant ist, dass man im Garten auch die Entwicklung der Blumen im Laufe der Jahre verfolgen kann. Vor ein paar Jahrzehnten waren es noch große, uppige Tulpen. Dann waren es die schmalen, einzelnen Tulpen, die modern waren. Und jetzt geht der Trend wieder in Richtung der großen, gerne auch doppelten Tulpen.


Mit einem Auto voller Blumen und einem Kopf voller Eindrücke fahre ich wieder nach Hause. Der Frühlingsroadtrip dauerte nur drei Tage und doch fühle ich mich, als hätte ich einen ganzen Urlaub hinter mir. Bunte Blumen, drei verschiedene Küste, gutes Essen, besondere Unternehmer und schöne Orte abseits der bekannten Pfade: Holland oberhalb von Amsterdam hat alles für einen kleinen Roadtrip im Frühling.
Tipp: Magst du noch etwas länger bleiben? Gute Idee! Auf der Webseite von Holland oberhalb von Amsterdam, die Region ganz im Norden von Nordholland gibt es noch mehr Tipps zur Tulpenblüte.


